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Interview mit dem Digital Retro Park e.V.

[ English version over here ]

Vor gar nicht so langer Zeit habe ich einen Artikel über ein Museum auf einem Game Boy Modul gelesen. Dieses wird von dem Digital Retro Park produziert und ist seit kurzem als Marketing-Artikel auf deren Webseite erhältlich. Der Digital Retro Park ist ein erlebbares Museum und e.V., mit Fokus auf alte Gamingrechner. Kaum davon gelesen, habe ich auch direkt Kontakt aufgenommen und ein Interview ausgemacht. Der erste Vorsitzende war so freundlich mir dabei Rede und Antwort zu stehen.

Interview

Stell dich doch einmal kurz vor, damit den Lesern klar ist, wer hier für den Digital Retro Park e.V. spricht 🙂
Ich bin Stefan Pitsch, der erste Vorsitzende des Digital Retro Park e.V., welcher das Digital Retro Park Museum in Offenbach betreibt. Der Verein wurde im Februar 2014 gegründet und das Museum im Oktober 2018 eröffnet.

Was genau ist die Mission des Digital Retro Parks?
Der Digital Retro Park möchte ein sozio-digitales Kulturzentrum im Rhein-Main-Gebiet sein. Er besteht aus einem Technikmuseum, in dem ~40 Exponate betriebsbereit für die Besucher bereitgestellt sind, sowie einem Commons Café mit einem Workshopbereich, in dem begleitend zur Ausstellung oder aktuellen Themen Veranstaltungen stattfinden (sobald Corona das wieder zulässt). Zudem machen wir im Umfeld des DRP in Offenbach weitere Projekte, wie z.B. den digitalen Baum oder die Umgestaltung des Hugenottenplatzes (in Offenbach, nicht Berlin).

Ein aktueller Einblick.

Da 2008 der Deutsche Kulturrat Computer- und Videospiele als Kulturgut anerkannt hat, wieso erhaltet Ihr keine staatlichen Spenden oder sonstige staatliche Unterstützung?
Naja, bloß, weil etwas ein Kulturgut ist, gehen nicht plötzlich die Geldhähne auf. Wir sind kein Stadt-, Land- oder gar Bundesmuseum, sondern komplett privat geführt und bekommen keine Grundförderung. Wir haben aber vor, dem Museumsverband alsbald beizutreten (dazu sind noch ein paar administrative Vorarbeiten zu erledigen), um wenigstens eine kleine Grundförderung zu erhalten. Den Rest finanzieren wir aus Eintrittsgeldern, Spenden und Projekt- und Kulturförderungen der Stadt Offenbach und verschiedener Kulturstiftungen. Es ist ein ziemliches Puzzlespiel und mühsam ernährt sich das Eichhörnchen.

Wie viele Leute helfen insgesamt mit im digitalretropark und braucht ihr noch Verstärkung?
Wir haben jetzt nominell > 40 Mitglieder im Verein, aber viele davon unterstützen uns nicht mit Arbeit, sondern ideell und mit ihrem Beitrag – oft auch, weil sie die Idee super finden, aber selber reichlich weit von Offenbach entfernt wohnen. Das ist auch okay so – wir brauchen Unterstützer jeder Art und freuen uns über jedes Mitglied. Unser Samstagsteam freut sich natürlich auch über jeden, der mal vorbeischaut und mithilft.


Gibt es irgendwelche konkreten Pläne die bald realisiert werden?Hauptsächlich: Am Leben bleiben. Nach Corona sehen wir weiter.

Wie viele Besucher habt ihr in etwa monatlich? Also vorausgesetzt die Corona Regelungen gestatten es…
Wir hatten 2019 ca. 100 Besucher pro Monat im Schnitt. Wir haben allerdings erst im Oktober 2018 eröffnet, daher waren wir noch am Aufbauen unserer Reichweite, als Corona Anfang 2020 kam und wir schon wieder schließen mussten.

Welchen Einfluss übt die ganze Corona Krise auf den Digital Retro Park? Ihr musstet häufiger mal schließen oder?
„Häufiger“ ist gut. Wir waren praktisch seit Ende März 2020 bis Juni 2021 geschlossen. Wir konnten September/Oktober 2020 für ganze vier Samstage öffnen, bevor die Regelungen wieder verschärft wurden. Seit Juni 2021 haben wir jetzt wieder samstags geöffnet. Es wird noch dauern, bis wir wieder auch unter der Woche öffnen können.

Auf was für Sonderführungen kann man sich bei euch gefasst machen?
Sonderführungen gibt es in der Form nicht – nur normale Führungen. Diese dauern ca. 60-90 Minuten (je nach Fragen und Interesse) für Erwachsene und 30-45 Minuten für Kinder. Dabei erfährt man etwas zu allen Exponaten unserer Ausstellung, sowie der Historie davor.

Im Rahmen eures Commons Cafes bietet ihr auch Workshops an, was waren das bisher für Workshops? Auf was für Workshops darf man sich freuen? Mit derartigen Workshops solltet ihr dringend an Unis werben…
Wir wollten natürlich gerne noch mehr Workshops machen, aber auch da hat uns Corona quergegrätscht. Wir hatten ein paar Lötworkshops, 3D-Drucker Workshops, einmal auch Bierbrauen. Bügelperlen wurden in Pixelbilder verwandelt. Im Rahmen des Bended Realities Festivals wurden auch Vorträge zu verschiedenen Themen bei uns gehalten. Wir planen aktuell Videoabende mit themenbezogenen Filmen zur Ausstellung sowie eine Vortragsreihe zur Demoscene.

Das Commons Cafe taucht auch auf dem Game Boy auf.

Besteht Kontakt zu anderen derartigen Organisationen oder e.V.s?
Ja, natürlich. Deutschland ist klein 🙂 Große Überschneidung (personell) haben wir z.B. mit dem For Amusement Only e.V., der das Flipper- und Arkademuseum in Seligenstadt betreibt, und dem 1. Hanauer Netzwerkclub, welcher fünfmal im Jahr das Retrotreffen HomeCon in Großauheim/Steinheim ausrichtet. Auch zu anderen Museen in Deutschland und Europa haben wir Kontakt, z.B. zum Oldenburger Computermuseum von Thiemo Eddiks oder dem HomeComputerMuseum von Bart van den Akker in Helmond, Holland.

Wie viele verschiedene Konsolen / Computersysteme habt ihr? Ich habe 14 xD
Das kann ich so gar nicht sagen. In der Ausstellung stehen über 40 verschiedene und im Lager liegen bestimmt mindestens noch mal so viele. Eher deutlich mehr, wenn man die ganzen Handhelds dazuzählt.


Gibt es in der Sammlung des digitalretroparks ein besonderes Schmuckstück, auf das du besonders stolz bist?
Ach, welches Kind liebe ich am meisten… das kann doch niemand sagen. Wir sind natürlich stolz auf unseren kompletten NeXT Cube mit Drucker und Soundbox. Auch der POLYPLAY Spielautomat aus der DDR ist ein schöner und seltener Hingucker. Letztes Jahr kamen mit dem IMSAI 8080, dem DEC VT180 „Robin“ (beide leider noch nicht betriebsbereit) und einem Heathkit H8 Computer mit Diskettenstation und Terminal noch ein paar Schmuckstücke dazu.

Welche Geräte fehlen euch noch, nach denen ihr dringend sucht?
Da gibt es immer was. So ein Apple I z.B. – man kann ja träumen, aber da haben wir immerhin einen Nachbau. Ein original IBM 5150 wäre auch schön, da haben wir bisher den jüngeren Bruder IBM 5160. Bei den meisten Wunschkandidaten fehlt uns als Verein einfach das Kleingeld. Oder schlicht der Platz. Wir sind jetzt schon an der Kapazität und müssen Geräte tauschen, wenn wir etwas Neues in die Ausstellung reinstellen wollen.

Darf man eure Ausstellungsstücke auch nutzen?
Ja, das ist der Grundgedanke hinter unserem Museum: Alle angeschalteten Geräte (~40) können auch be- und genutzt werden. Man soll die Geschichte im Wortsinne „begreifen“ können. Oder einfach in Erinnerungen schwelgen.

Das waren noch Monitore…

Habt ihr auch einen Pegasus? Das war eine der ominösen Famiclone Konsolen die in Osteuropa auf dem Markt war, von der niemand weiß wer genau die überhaupt hergestellt hat xD
Nein, einen Pegasus haben wir nicht. Es ist allerdings auch nicht unser vorrangiges Ansinnen, besonders seltene Geräte zu haben. Unser Museum hat es zum Ziel, die Eroberung der Haushalte durch die Computer-Technologie zu zeigen – also die Jahre zwischen 1974/75 und 1989/90, und da sind die „Massengeräte“ eher an der Front zu finden, als obskure Nischenprodukte. Wobei wir natürlich in unserem Herzen auch diese sehr lieben.

Zählen zu Euren Ausstellungsstücken auch diverse Controller und andere Zusatzgeräte?
Da die Geräte benutzbar aufgestellt sind, ist Peripherie natürlich dabei. Das beinhaltet u.a. Joysticks, Controller, Kassettenlaufwerke, Diskettenlaufwerke, Drucker und Monitore.

Habt ihr euch überlegt eure Geräte gegen Gebühr zu verleihen, um die Einnahmen hochzuschaukeln?
Bisher nicht, da solchen Einnahmen auch immer Kosten und Zeit für Reparaturen entgegengestellt werden müssen. Einmal haben wir allerdings unseren IBM PC-AT für einen Filmdreh verliehen. Vielleicht machen wir da mal was für Konsolen, wenn wir diese doppelt haben oder so.

Jetzt mal im Ernst, einige ältere Geräte sind nicht gerade billig zu kriegen. Wurde bei euch schon was geklaut?
Auch wenn viele Leute uns vorher darauf spöttisch hingewiesen haben: Offenbach ist da besser als sein Ruf. Bisher kam nichts weg.

Schonmal was von Retrobrain gehört? Ist so eine therapeutische Spielkonsole für ältere Menschen um das Gedächtnis zu trainieren. Kommt sowas auch für euch in Frage oder ist dies ein zu spezielles, nicht kommerzielles Produkt?
Das käme für uns aus dem Grund nicht in Frage, weil es zu neu ist. Aber im Rahmen einer Sonderausstellung (wir haben einen Raum für Sonderausstellungen) vielleicht interessant. Direkt zusammen mit dem Nintendo DS Gehirntrainer und ähnlichen Sachen.

Ihr habt euch einen ziemlichen koolen (nicht kostenlosen) Werbeartikel einfallen lassen, der echt schnell ausverkauft war. Nämlich ein selbstgemachtes Gameboy Spiel, in dem man den Digital Retro Park erkundet. Dieses kann sogar als Modul mit Verpackung und Anleitung (wie ein Spiel von früher) bei euch gekauft werden. Wie seid ihr auf sowas gekommen 🙂 ?
Unser Mitglied Falk hatte die Idee schon vor einer ganzen Zeit mal und ein bisschen rumgespielt und gepixelt. Als dann Corona kam, hatte er endlich genug Zeit, sich in die verfügbaren Tools einzuarbeiten und die Idee adäquat umzusetzen. Wenn die Leute nicht zu uns können, dann kommt das Museum eben zu ihnen. Wie bei allen diesen Projekten, hat es etwas länger als geplant gedauert, aber wir sind sehr stolz auf das fertige Ergebnis und haben viele begeisterte neue Freunde gefunden.

Originelle Idee. Schick verpackt und gut designed.

Werden noch mehr selbstgemachte Games kommen?
Man soll nie nie sagen. Falk hat schon ein paar Ideen, aber da ist noch nichts spruchreif.

Das Promo Video für alle Interessierten.

Welches war dein allererstes Spielsystem?
Ich hatte als erstes einen Commodore C64.

Ich bin eher des SNES Experte, was hältst du vom SNES rückblickend und im Rahmen seiner damaligen Lebzeit?
Ich bin mit dem SNES erst später in Berührung gekommen, da ich selber schon früh sehr auf Heimcomputer fixiert war (C64, PC-AT, Amiga 500). Ist eine tolle Konsole, gerade technisch gesehen, aber mein Herz zieht es eher zum SEGA Mega Drive hin, da mir die Nintendo-Spiele damals zu „kindlich“ waren. Der Nachteil an der berühmten Nintendo-Qualitätskontrolle – sehr gute Spiele, aber eben nur das, was Nintendo gefallen hat. Man schaue sich beispielhaft das entschärfte „Mortal Kombat“ auf der SNES an. Ja, Grafik und Sound besser als am Mega Drive, aber eben familienfreundlich kastriert.

Habt ihr euch mal überlegt, euren Park irgendwie in Kombination mit Unis oder Schulen zu nutzen?
Ja, tun wir. Es gibt Kontakte zur HfG in Offenbach z.B. und wir hatten auch schon einige Schulklassen bei uns zu Besuch, bevor Corona kam.

Nachdem du nun einen sehr guten Überblick über die Videospielgeschichte und ihre Entwicklung hast, wie siehst du die Zukunft der Videospiele?
Alter Wein in neuen Schläuchen. Der 287ste Aufguss von Need for Speed oder Version 314 von Call of Battlefield Hero Warfare. Und natürlich das NES Super Mario und Zelda für jede neue Nintendo Konsole. Sorry, wenn das etwas zu negativ klingt, aber aktuell geht keiner mehr Risiken ein und es werden nur noch Sequels und Remakes produziert. Höhere Auflösung, mehr Texturen, mehr Musik. Aber keine neuen Spielkonzepte weit und breit. Die Spiele für VR-Brillen bleiben extrem weit hinter den Erwartungen zurück.

Das Gerät in der Mitte ist ein TRS-80, das Spiel ist Sea Dragon.

Gibt es ein Computer oder Konsolensystem von dessen Qualität du extrem beeindruckt bist oder extrem enttäuscht bist? Als ich das erste mal den SEGA Megadrive 1 in der Hand hatte, dachte ich es wäre eine Fälschung, weil sich das Plastik so billig und leicht anfühlte xD
Die meisten Heimcomputer und Videospielkonsolen sind billiges Plastik 🙂 Die sollen ja nur ein paar Jahre halten und dann sollst Du das Nachfolgesystem kaufen. Aber eines meiner Negativbeispiele ist das Philips Videopac G7000 (aka Magnavox Odyssey II). Viel umbauter Raum. Eine komplett sinnlose riesige Folientastatur. Apropos Tastatur – der Plus4 von Commodore mit seiner Radiergummitastatur war auch so ein Blindgänger. Und das bringt uns natürlich zum Billigheimer schlechthin – der ZX (egal ob 80/81 oder Spectrum). Als Positivbeispiel wäre der Commodore PET 2001 zu nennen. Der hat ein komplettes Metallgehäuse. Das hält ewig.

Welche Konsole / Computersystem ist in deinen Augen völlig underrated gewesen? Und welches war totaler Müll der den Markt nie hätte erreichen dürfen?
Zu ersterem: Die GCE Vectrex.
Zu letzterem: So ziemlich alles von V-Tech.

Vielleicht eine komische Frage aber was hältst du von Emulation? Einerseits hält es die Games am Leben, andererseits wissen dadurch viele nicht die Originalgeräte zu schätzen…
Das ist gar keine komische Frage. Ich (und andere im Museum) sind große Freunde der Emulation. Wir wissen leider alle, dass die Hardware endlich ist. Unsere Geräte waren auf eine Lebenszeit von 3-5 Jahren ausgelegt und laufen jetzt nach 30-40 Jahren immer noch. Aber da ist heute auch viel Organspende und Aus-2-mach-1 dabei. Irgendwann wird der letzte Originalchip den Rauch rauslassen, und dann war es das. Inzwischen gibt es für viele Chips modernen Ersatz, und ganze neue Motherboards, aber wenn man das alles ausgetauscht hat – ist das dann noch ein Original? Ohne Emulatoren und den daraus entstandenen Drang, die alten Datenträger zu digitalisieren, wäre auch vieles schon für immer verloren gegangen. Für uns als Museum eine furchtbare Vorstellung.

Echt super umgesetzt 🙂

Danke und weitere Links

Herzlichen Dank an Stefan Pitsch für das Interview. Besucht alle den Digital Retro Park in Offenbach (bei Frankfurt) damit das Museum nicht untergeht, dafür ist es zu wichtig. Wer dort wahrscheinlich niemals vorbeikommt, hat vielleicht Interesse daran, das Game Boy Modul zu bestellen. Das wird dem Digital Retro Park wahrscheinlich gut helfen.

Hoffentlich schaffe ich es mal vorbeizukommen, dann könnte ich direkt einen weiteren Beitrag veröffentlichen 🙂 Ich bin gespannt ob weitere selbstgemachte Module kommen werden und wie der Verein weiterwachsen wird und wünsche Stefan und den anderen Mitgliedern des Vereins alles Gute und viel Erfolg!

Digital Retro Park e.V. Webseite

Musem on a Cart für den Game Boy bestellen

youtube Kanal des Digital Retro Parks

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